Freitag, 10. August 2007

Beispiel Pfefferminztee - eine reale Voelkerkunde

Eigentlich sind wir Voelker doch gar nicht so verschieden. Trotz unterschiedlicher Traditionen konsumieren wir doch mehr oder weniger die gleichen Produkte.

Durch Jahrhunderte lang waehrenden Handel sind wir uns zunaechst naeher, als wir das glauben. Die besten, bewertesten, heiszbegehrtesten Gueter eines Staates kommen frueher oder spaeter auch auszer Landesgrenzen...

Der momentane, okzydentalishe Hype auf "Schischa" ist ein nettes Beispiel dafuer! Oder wie wuerdet ihr erklaeren, dass in Deutschland ploetzlich alle unglaublich scharf auf Wasserpfeife sind?
Und à propos, wenn wir schon beim Woertchen "scharf" sind, woher kamen denn all die feinen Gewuerze und Kraeuterchen, dank derer unsere Speise heute tagtaeglich so unglaublich delikat schmeckt? Von der Ferne zu uns herchauffiert. Warenaustausch der Extraklasse.

Eines dieser gewoehnliches "Kraeuterchen" ist Pfefferminze. Wir verzehren sie alle. Zumindest die Teetrinker unter uns.
Obwohl sie in vielen verschiedenen Trink-Kulturen verwendet wird, gewisse Eigenarten sind zu erkennen.
Jene Unterschiede sind hier bei mir -im Centre International- gerade zu exemplarisch analysierbar...
Wie kommt welche Nation zu ihrem Pfefferminztee?

Der Franose:
Billig muss es sein. Er kauft seinen Teebeutel fertig praepariert im Supermarkt. entgegen dem Geruecht, der Franzmann sei ein echter Feinschmecker, tuencht und punscht die Industrie hier en masse, vermengt mit gruenem Tee und anderem Unkraut, auf das die Packung Infusion billiger werde. Dem Gesoeff soll Farbe verliehen werden, und der Chlorgeschmack des Wassers muss ueberdeckt werden. Sind diese Aufgaben erfuellt, gibt sich der Franzose voellig zufrieden.

Der Deutsche:
Aehnliche Trinkwasserprobleme kennt der Deutsche nicht. Sein kaltes Nass, das aus der Leitung flieszt, schmeckt. Wenn man schon Pfefferminztee trinkt, dann richtigen, guten. Da gibt man auch gerne mal eine Mark mehr aus. Oder auch nen Euro.
Beim Teebeutelkauf vergewissert er sich also aufs Genauste, dass es sich um reine, saubere, am besten mit Biosiegel ausgezeichnete und fair gehandelte Pfefferminze handelt.

Der Perser:
Mit Ekel schaut ein Iraner oder Iraker auf die Europaer hinab, wenn er deren in die Tasse gehaengten Papiersaeckchen voll getrockneter, konservierter und kleingehackter Pfefferminze sieht. So verlieren die Blaetter doch vollkommen ihr Aroma!! Und wozu ueberhaupt eine solch kuenstliche Weiterverarbeitung der pfanzliche Substanz, wo man sie doch in ihrem urspruenglichen Zustand, in voller Natuerlichkeit genieszen kann?
Der Perser geht auf den Markt und kauft sich dort alle zwei Tage fuer 65 Cent einen Bund frische Minze.
Ahhh, herrlich!

Der Magribiner:
Aber mal ehrlich, herrlich ist zwar der Geschmack, doch schmerzlich die 65 Cent im Geldbeutel. Algerier oder Marokkaner brauchen jeden noch so kleinen Betrag, um ihn nach Afrika zu ihrer Familie zu schicken.
Der Magribiner pflanzt seine Kraeuter selber an. Doch wo? Die kleinen Zimmer unseres Centres haben keine Fensterbank... Not macht erfinderisch.
Nabil, ein algerischer Kumpel von mir, wusste sich fein zu helfen. Den Vogelkaefig, den ein befreundeter Columbianer eigentlich auf den Sperrmuell befoerdern wollte, schraubte er kurzerhand von Auszen in die Holzfasade seiner Bude, pflanzte darin an, was ihm nuetzlich erschien, und bedient sich davon nun nach Bedarf. Clever!

Der Schwarzafrikanzer:
Wozu all diese Clevernis? Es geht auch viel einfacher!
Auf das edle Kraut kann freilich weder Mauretanier noch Senegalaise verzichten, er braucht es fuer seinen sogenannten Bizap, ein traditioneller, roter Tee-Punsch mit Fruechten und etwas Saft. Doch nimmt er nicht die Muehen vorangegangener Persoenlichkeiten auf sich.
Warum kaufen? Warum Anbauen?
Der Hausmeister hat davon mehr als genug in seinem privaten Gemuesegarten. Den kann das doch nicht stoeren, wenn man sich dort von Zeit zu Zeit mal bediehnt, oder etwa doch?
Kurz bevor der Trank zubereitet wird, stolziert der Schwarzafrikaner in jenes wohlgepflegte Gaertchen, um frisch zu ernten, was man wohl nirgens in besserer Qualitaet beziehen koennte...
Tschin tschin, Prost und guten Pfefferminztee!!

Euer Carsten

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